• ATE-Doppelscheiben Bremsanlage für R 90 S

    ATE-Doppelscheiben-Bremsanlage für R 90 S

    Seit dem Erscheinen der BMW R 90s im Jahr 1973 gehört die hydraulische Doppelscheibenbremsanlage von ATE (Alfred Tewes GmbH) zum typischen Erscheinungsbild dieses Modells.


    Wie funktioniert eigentlich die hydraulische Scheibenbremse bei der R 90s?
    Einfach ausgedrückt so:
    In unserem Fall besteht die Bremsanlage aus der Bremsscheibe, gefertigt aus nichtrostendem Stahl mit einem Durchmesser von 26 cm, dem Bremssattel, der beweglich gelagert ist, damit sich nichts bei der Hitzentwicklung verzieht und dem Hauptbremszylinder.
    Mit dem Handhebel am Lenker wird per Seilzug die Kraft zum Hauptbremszylinder, der sich unter dem Tank befindet, übertragen. Über Hydraulikröhrchen und Bremsschläuche wird die Bremsflüssigkeit in eine Bremszange gedrückt. Dann werden durch die Kolben die Bremsbeläge gegen die Bremsscheibe gepresst. Wird die Bremsehebel wieder gelöst, sinkt der Druck im System und die Bremsscheibe läuft wieder frei.
    Bei der R 90s ist die Bremsanlage als so genannte Schwenksattelbremse oder Pendelsattelbremse konstruiert. Die Schwenksattelbremse wurde bei den BMW-Modellen von 1973-1979 verwendet.
    Bei dieser Bremsenausführung ist der Bremssattel vertikal auf einer Welle gelagert, so dass man ihn horizontal bewegen kann. Er ist also schwenkbar.
    Anschaulicher wird das Ganze, wenn man sich die Bremszange wie den Buchstaben „U“ vorstellt. Dieses „U“ steht nicht, sondern liegt und umfasst die Bremsscheibe. Aus den beiden Schenkeln des „U“ drücken die Bremskolben auf die Scheibe. Bei einer Schwenksattelbremse gibt es aber nur einen Kolben. Der andere Schenkel trägt direkt den Bremsbelag. Damit dann aber beide Beläge an die Bremsscheibe gedrückt werden können, muss der Bremssattel beweglich sein. Das geschieht dadurch, dass sich der Bremssattel um das Ende des einen Schenkels des „U“ schwenken lässt.
    Wenn man nun bremst, wird nur ein Bremskolben betätigt, der andere Brems-kolben ist ja fest mit dem Bremssattel verbunden. Der Schwenksattel wird durch den Öldruck am Kolben betätigt und die Bremsbelagplatte gegen die Bremsscheibe gedrückt.
    Die optimale Bremsleistung wird bei diesem System aber nur erzielt, wenn beide Beläge parallel zueinander mit der gesamten Fläche auf die Scheibe wirken. Wie schon erwähnt, ist deshalb die Bremszange in einem Gelenk gelagert und exzentrisch verstellbar. Man kann die Brembeläge genau plan einstellen und bekommt obendrein noch eine gleichmäßige Abnutzung der Beläge als Belohnung.

    1974 wurde die Zweischeibenanlage verändert. Anstelle der ungelochten Schei-be gab es jetzt die mit den jeweils 100 Löchern. In vielen Tests wurde nachgewiesen, dass die Bremse mit den gelochten Scheiben bei Nässe direkter anspricht und den Bremsbelagabrieb besser abtransportiert.
    Mit dieser Modellpflege stieg der Durchmesser der Bremskolben von 38 auf 40 mm und der Durchmesser des Hauptbremszylinders stieg von 15,86 mm auf 17,46 mm.
    Es wird darüber immer noch heiß diskutiert, dass der Hauptbremszylinder bei der R90s unter dem Tank und nicht am Lenker arbeitet. Als Vorteile für diese Bauart wird angeführt, dass der Hauptbremszylinder am Lenker die Masse ein-seitig erhöht und die Lenkeigenschaften sich dann verschlechtern. Bei einem Sturz ist der teure Zylinder gut geschützt und der kurze Seilzug vom Bremshebel zum Zylinder macht die Bremse elastischer und feinfühliger.
    Als Nachteile für diese Bauart wird angeführt, dass der kurze Seilzug bei Verschmutzung schwergängiger wird und hohe Handkräfte erfordert. Auch muss für die Nachstellarbeiten der Bremse der Tank abgenommen werden oder bei der Kontrolle und dem Wechsel der Bremsflüssigkeit.
    Da man den Bremsflüssigkeitsstand nicht ohne Tankmontage sehen kann, gibt es eine extra Kontrollleuchte auf der Konsolenleiste für die Überwachung. Die Kontrollleuchte wir durch einen Schwimmer im Deckel des Hauptbremszylinders angesteuert.

    Wartungs-und Einstellarbeiten an der R 90s Scheibenbremsanlage:

    Grundsätzlich sollten Arbeiten am Bremssystem nur von kundigen Fachleuten durchgeführt werden.

    Die Bremsanlage muss blasenfrei sein. Luft in der Bremsanlage verhindert einen spürbaren Druckpunkt und die Bremse fällt in der Leistung erheblich zurück.
    Regelmäßig sollte eine Sichtprüfung erfolgen:
    Die Bremsscheiben sollten auf Risse, Riefen und Verzug hin überprüft werden. Einen Blick auf die kleinen gelben Plastikringe an den Bremsschläuchen (vorne) werfen, der verrät die Herstellungswoche und das -jahr der Schläuche z. B. 0878. Sie sollten laut BMW nach 5 Jahren gewechselt werden. Die Bremsschläuche auch mal auf Risse oder Scheuerstellen hin überprüfen
    Die Bremsbeläge ansehen, ob sie nicht weiter als bis zur Farbkennzeichnung abgenutzt sind.

    Bremsflüssigkeit wechseln:

    Der jährliche Wechsel der Bremsflüssigkeit ist auch dann erforderlich, wenn nur wenige Kilometer gefahren wurden. Der Wechsel ist notwendig, da die Bremsflüssigkeit durch die Entlüftungsbohrung im Ausgleichsbehälterdeckel aus der Umgebungsluft Wasser aufnimmt.
    Für den Wechsel:
    - Tank abbauen
    - Gummikappe vom Entlüftungsnippel abnehmen
    - einen Schlauch über den Nippel ziehen und in einen Behälter leiten
    - den Entlüftungsnippel lockern und die Bremse so lange betätigen, bis die gesamte Bremsflüssigkeit herausgedrückt ist
    den Ausgleichbehälter des Hauptbremszylinders wieder bis „Max“ füllen.

    Entlüften der Bremse:

    Das Entlüften der Bremsanlage ist nach jedem Wechsel der Bremsflüssigkeit notwendig oder wenn der Druckpunkt spürbar zu weich ist.
    Grundsätzlich soll es bei der R 90s so gehen: Die Bremsflüssigkeit wird so lange aus der Bohrung am Radzylinder gedrückt, bis alle Luftbläschen mit herausgedrückt sind:
    - erst schauen, ob genügend Flüssigkeit im Vorratsbehälter des Bremszylinders ist, weil man sonst wieder Luft ins System pumpt
    - die Schutzkappe der Entlüfterschraube entfernen
    - den Entlüfterschlauch draufsetzen
    - den Schlauch in ein durchsichtiges Auffanggefäß leiten
    - den Bremshebel mehrere Male anziehen, bis Gegendruck spürbar ist
    - den Hebel gezogen lassen, das Entlüftungsventil öffnen und sofort wieder schließen
    - den Bremshebel erst loslassen, wenn die Entlüfterschraube geschlossen ist
    - das Ganze so lange wiederholen, bis keine Blasen mehr sichtbar sind
    zum Schluss die Entlüfterschraube anziehen.

    Die Flüssigkeit im Auffanggefäß muss fachgerecht entsorgt werden. Man sollte sie nicht wieder verwenden, da sie ja noch die Luft enthält.
    Einige „Profi-Entlüfter“ ziehen den Bremshebel an den Gasgriff heran, fixieren ihn und lassen die Bremse mehrere Stunden unter Druck stehen. Die Luftblasen wandern dann nach oben in den Ausgleichsbehälter.

    Einstellen des Leerweges:

    Der Seilzug des Handbremshebels kann am Handhebel selbst mit der Rändelschraube einstellt werden oder am Endteil des Hauptbremszylinders:
    dafür nach dem
    - Abbau des Tanks die Staubkappe am Zylinder abnehmen
    - mit der Fühlerlehre das Spiel prüfen.
    Falls nachgestellt werden muss:
    - Kontermutter der Einstellschraube losdrehen
    - Fühlerlehre ansetzen
    - den Abstand mit der Einstellschraube anpassen
    - die Fühlerlehre sollte gerade noch beweglich sein
    - Kontermutter festziehen
    als letztes die Staubkappe wieder anbringen.


    Wenn das Vorderrad ausgebaut ist, sollte unbedingt nicht mehr der Handbremshebel betätigen werden – sonst wird der Bremskolben herausgedrückt und die Bremsflüssigkeit läuft aus! Am besten die Scheibe durch ein Holz ersetzen.

    Auswechseln der Bremsklötze:

    - Bremsflüssigkeit ablassen
    - die Verschlusskappe des Exzenterbolzens entfernen
    - Exzenterbolzen herausziehen (mit Hilfe einer langen 8 mm Schraube, die
    etwas hineingedreht wird)
    - den Bremssattel nach hinten ziehen
    - die Haltefeder des inneren Bremsklotzes entfernen und beide Bremsklötze aus dem Sattel heraus ziehen.
    Bevor die neuen Bremsklötze eingesetzt werden, den Kolben des Bremszylinders mit einer Schraubzwinge zurückdrücken.
    - anschließend den äußeren Bremsklotz nach leichtem Fetten des Füh- rungsbolzens und Aufsetzen des O-Ringes einbauen
    - inneren Bremsklotz mit Haltefeder (deren abgewinkeltes Ende nach unten weisen muss) sichern.

    Einstellen der Bremszange:

    Damit die Beläge parallel zur Scheibe stehen
    - kann man mit Kreide oder einem Filzstift auf der Innenseite der Scheibe vom äußeren zum inneren Rand der Bremsscheibe einen geraden Strich ziehen
    - die Bremse leicht anziehen
    - das Rad drehen, damit die Beläge fein über die Scheibe wischen
    dann schaut man sich den Strich an:
    - ist der gesamte Strich weggewischt stimmt alles
    - bleibt ein Teil des Strichs stehen, stehen auch die Beläge schräg und berühren nur mit einem Teil die Scheibe.


    Die Stellung der Bremszange kann man so ändern:

    - die Verschlussschraube an dem Bremssattel herausdrehen
    - die Feder entfernen, so kommt man an die Exzenterschraube heran
    - durch Verdrehen der Exzenterschraube ändert sich die Stellung der Bremszange
    - mit einem breitem Schraubendreher hin und her verstellen
    - dabei den Druck am Bremshebel leicht erhöhen, bis man beim Verstellen merkt, dass der Exzenter sich kaum noch bewegen lässt. Dann ist die richtige Einstellung gefunden
    - mit der o.g. Strichprobe kann man die gewünschte Stellung noch mal nachprüfen.

    Bremse der R 90s optimieren:

    Für die meisten R 90s Fahrer ist die serienmäßige Doppelscheibenbremsanlage völlig ausreichend.
    Die sportlich orientierten Fahrer verbessern die Anlage meistens so:
    Ohne Veränderung am System reicht einigen das intensive Reinigen der in der Regel doch schon sehr alten Bremsanlagen, die Erneuerung von Dichtungen und Manschetten im Bremssattel, der Austausch der Serienbremsschläuche und der Wechsel der Serienbremsbeläge.

    Oft wird der Hauptbremszylinder mit 19 mm Ø unter dem Tank durch einen Handgriffzylinder (am Lenker) mit 17 mm Ø. ersetzt Bei Verwendung von Stahlflexleitungen kann (nach Absprache mit dem TÜV) auf 16 mm Ø gegangen werden.
    Die Montage von Stahlflexleitungen verringert den Hebelweg, bietet einen härteren Druckpunkt und führt dazu, dass die gesamte Bremsanlage besser dosierbar wird. Außerdem sind Stahlflexleitungen noch alterungsbeständiger.
    Die nicht rostenden Serien-Edelstahlbremsscheiben haben einen hohen Chrom-anteil, mit ungünstigem Reibwert, der zu Lasten der Griffigkeit geht. Sie werden gerne gegen Gussscheiben mit den dazu passenden Bremsbelägen getauscht.

    Mittlerweile erhält man bei den bekannten Spezialhändlern verbesserte serienidentische Nachbauten der einzelnen Teile der R90s Bremsanlage. Sie verbessern nachhaltig die Bremsleistung, ohne das Originalbild der ATE-Schwenk-
    sattelbremse zu verändern.


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    Comments 1 Comment
    1. Avatar von bikerhein
      bikerhein -
      Sehr informativer Beitrag. Da an meiner 60/6 die Bremse nicht mehr frei wird muss ich wohl die Radbremszylinder und den Hauptbremszylinder üerholen. Wo kann ich Reparatursätze beziehen?
      Gruß
      bikerhein